Aufmerksamkeit als Währung. Instapoetry zwischen Selbstausdruck und (aufmerksamkeits-)ökonomischem Kalkül

Dr. Lucas Alt

Kommerzielle soziale Medien wie Instagram, TikTok, X und Youtube folgen einem Paradigma der Aufmerksamkeitsökonomie. Weil Nutzer*innendaten vielfältig verwertbar und profitabel sind, gratifizieren die Algorithmen der Plattformen vor allem Content, der Aufmerksamkeit erregt und bindet, indem sie ihn prominent platzieren und so Trends und Hypes produzieren. Der digitale Kapitalismus schreibt sich so in die Beiträge der Nutzer*innen ein – als Anspruch, Wunsch und Vision, aufsehenerregende Texte in die Welt zu stellen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Maßgabe der Authentizität zu. Um im Angebotsüberfluss Sichtbarkeit zu erlangen, arbeiten Influencer auch an der Herstellung einer parasozialen Beziehung zu ihren Followern, indem sie (vermeintliche) Nähe und Unverstelltheit ästhetisch produzieren. Da derart inszenierte Authentizität natürlich stets einen Widerspruch in sich birgt, sprechen Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt auch von den „Authentizitätsmasken“ der Influencer.

Sehr anschaulich können diese komplexen ästhetisch-kommunikativen Zusammenhänge am Beispiel der sogenannten Instapoetry aufgezeigt werden. Im Workshop nehmen wir die Mechanismen eines in seiner Medialität besonderen und dennoch in vielerlei Hinsicht beispielhaften Literaturmarktes in Augenschein, dessen primäre Währung nicht Geld, sondern Aufmerksamkeit ist. Dazu nähern wir uns repräsentativen Beispielen der Instapoetry  zunächst über einen induktiven, entdeckend-forschenden und analytischen Zugang. In einem zweiten Schritt fokussieren wir die strukturellen Faktoren einer aufmerksamkeitszentrierten Plattformökonomie und reflektieren die Rolle des produzierenden und rezipierenden Users.